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AutorenbildKinderhilfswerk NOAH

Doppelmoral Sanktionen

„Sanktionen gegen Syrien gehören zu den kompliziertesten und weitreichendsten Sanktionsregimen, die jemals verhängt wurden.“ (Zitat aus einer Studie)


Seit 2011 haben die USA, Kanada, Japan, Australien, Grossbritannien, die Schweiz, Norwegen, die Türkei, die Europäische Union (mit 27 Nationen) und die Arabische Liga (mit 22 Nationen) ein komplexes Netzwerk von Sanktionen gegen Syrien errichtet. Im Jahr 2020 wurden diese noch verschärft, als die USA den sogenannten „Caesar Act“ umsetzten. Dieser erlaubt die Sanktionierung von Einzelpersonen oder Unternehmen weltweit, die möglicherweise am Wiederaufbau Syriens beteiligt sind – selbst nach 12 Jahren Krieg.


Der UN-Sicherheitsrat hat jedoch keine Sanktionen gegen Syrien genehmigt. Im August 2020, als die COVID-19-Pandemie weltweit wütete, warnte eine Gruppe von UN-Experten davor, dass Sanktionen in Syrien Leid und Tod verursachen. Sie argumentierten, die Sanktionen sollten „aufgehoben oder zumindest gelockert werden“, damit Menschen Grundnahrungsmittel wie Seife und Desinfektionsmittel erhalten könnten, um gesund zu bleiben. Ebenso sollten Krankenhäuser Beatmungsgeräte und andere wichtige Geräte beschaffen können, um Menschenleben zu retten. Die Experten erklärten:


„Sanktionen, die im Namen der Menschenrechte verhängt wurden, töten tatsächlich Menschen und entziehen ihnen grundlegende Rechte, einschließlich des Rechts auf Gesundheit, Nahrung und Leben.“


Kind in Syrien

Dieser Meinung schliesst sich auch das Kinderhilfswerk NOAH an. Wir möchten offenlegen, wie wir uns in all den Jahren immer wieder mit den Embargogesetzen und Sanktionsmassnahmen auseinandersetzen mussten. Als kleine Organisation, die keine Spendengelder für juristische Spezialisten zur Verfügung hat, sind wir auf Goodwill und transparente Kommunikation mit allen Beteiligten angewiesen.


In den vergangenen 10 Jahren funktionierte dies meist reibungslos, doch 2024 wurde die Situation zunehmend schwieriger. Ganze viermal wurden wir sogenannten „Investigations“ unterzogen, da unsere monatlichen Zahlungen nach Syrien (Region Idlib) blockiert wurden. In den 9 Jahren zuvor geschah dies vielleicht alle zwei Jahre einmal. Im Dezember 2024, während der sogenannten „Liberation“, erreichten die Zahlungen für die Patenkinder Syrien erst nach 24 Tagen – nach zahlreichen Telefonaten, E-Mails und Dokumentenübermittlungen.


Es ist an der Zeit, dass diese Sanktionen weitgehend aufgehoben werden, damit wir uns als Organisation auch offiziell in Syrien registrieren und ein reguläres Bankkonto eröffnen können. Dies wäre eine enorme Erleichterung.


Sanktionen und ihre Auswirkungen auf NGOs


Die Untersuchungen, ob wir alle rechtlichen Vorgaben einhalten, wem wir Hilfe leisten und wie wir dies kontrollieren, sind zwar wichtig und nachvollziehbar. Doch Fragen wie „Warum sind Sie nicht offiziell in Syrien registriert?“ setzen uns zunehmend unter Druck. Als wir 2014 NOAH gründeten, begannen wir unsere Arbeit in Kafr Thakarim (Region Idlib), einer kleinen Stadt, die damals von der EU-geförderten Oppositionsgruppe FSA (Freie Syrische Armee) kontrolliert wurde. Diese war zu keiner Zeit als Terrororganisation gelistet.


Mit den Jahren änderten sich jedoch die Machtverhältnisse, und 2018 griffen Fraktionen der heutigen HTS (Hayat Tahrir al-Sham) die Region an. Nach internen Vereinbarungen übernahmen sie zunehmend Verwaltungsaufgaben, jedoch auch immer zusammen mit der FSA. Dies stellte uns vor grosse Herausforderungen, da die HTS unter den strengen Sanktionsmassnahmen gegen Al-Qaida gelistet ist.


Wir konnten uns weder in Damaskus noch bei HTS (oder Salvation Government) als Organisation registrieren lassen und blieben daher unabhängig. Diese Unabhängigkeit war jedoch häufig Grund für Rückfragen der Banken.


Warum wir jetzt schreiben


Wir plädieren seit Langem dafür, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, da die Bevölkerung nach 14 Jahren Krieg und wirtschaftlicher Isolation am Boden ist. Laut UN-Berichten sind fast 80% der syrischen Bevölkerung von humanitärer Hilfe abhängig.


Auf der Webseite vom SECO steht folgendes: "Die Sanktionen gegenüber Syrien wurden aufgrund der gewaltsamen Unterdrückung der Zivilbevölkerung durch die syrischen Streit- und Sicherheitskräfte erlassen." (gegen das Assad Regime). Theoretisch enthalten die Sanktionen Ausnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung. In der Praxis jedoch behindern sie den Zugang zu Treibstoff, Nahrungsmitteln und Medikamenten massiv. Der Prozess zur Beantragung von Lizenzen für humanitäre Hilfe ist so bürokratisch und die Strafen für unbeabsichtigte Verstöße so streng, dass viele NGOs und Unternehmen zögern, überhaupt zu handeln.

Ein UN-Bericht zeigt auf, dass der Import medizinischer Hilfsgüter nach Syrien nahezu unmöglich geworden ist. Sanktionen, die eigentlich die syrische Regierung treffen sollen, schaden stattdessen massiv der Zivilbevölkerung.


Die Auswirkungen der Sanktionen im Detail


1. Einschränkung des Zugangs zu Nahrungsmitteln und lebenswichtigen Gütern.


2. Entzug von Treibstoff und medizinischen Geräten, die dringend benötigt werden.


3. Abwertung der Landeswährung und steigende Preise.


4. Stärkung bewaffneter Gruppen durch Schmuggel.


5. Hemmung humanitärer Projekte.


Selbst engagierte Entwicklungshilfe bleibt ein Tropfen auf dem heissen Stein. Es ist dringend an der Zeit, dass die syrische Bevölkerung ihr Land ökonomisch wiederaufbauen kann. Arbeitsplätze, Exporte und Importe müssen wieder ermöglicht werden. Als Vergleich zeigen wir euch die stetig wachsenden Beträge der Schweizer Entwicklungshilfe über die Jahre für Syrien. Zusammengenommen sind dies etwa 300 Millionen Franken über 14 Jahre.

Verlauf Hilfsgelder CH

Wenn ein Land jedoch selber Schwierigkeiten hat zum Beispiel um Medikamente einzuführen, dann müssen die grösstenteils via Entwicklungshilfe ins Land. Anstatt dass Landwirte in Syrien wie vor dem Krieg produzieren könnten und eben auch hätten exportieren dürfen, wird fast die ganze Landwirtschaft lahmgelegt

Syrien Agrikultur GDP

und dies nicht nur wegen dem Krieg, sondern auch wegen dem Embargo und andere Länder, welche selbst im Krieg sind, schicken dann Getreide- Hilfslieferungen. Ein Aleppo Seifenhersteller oder andere Hersteller mussten ihre Geschäfte und Produktionen schliessen und ins Ausland verlegen, weil sie ohne Bankverbindungen, ohne Swift einfach nicht bestehen konnten. Heimisches Öl und Gas

Syrien Hersteller  GDP

wurde von anderen grösstenteils konfisziert und mussten die Syrer selbst teuer einkaufen.

Syrien Öl Förderungen

Dies sind nur wenige Beispiele. Aber all dies zeigt auf, dass die Mittelschicht, bzw. der Handel fast gänzlich ausgelöscht wurde und daher es in diesen Bereichen wenige Arbeitsplätze gab. Wer in Syrien ohne Hilfsgelder überleben wollte, suchte sich eine Arbeit bei einer NGO oder bei militärischen Einrichtungen. Stellen in der Verwaltung oder als Lehrer waren zwar auch begehrt, aber so schlecht bezahlt, dass die meisten davon nicht leben konnten. Der Lohn war teils ein Witz gegenüber den Lebenshaltungskosten (vor allem in den Gebieten unter Assad).

Syrien Tourismus

Die Statistiken stellen sehr gut dar, dass aufgrund der Embargomassnahmen viele Sektoren der syrischen Wirtschaft massiv gelitten haben und zusehends in den Ruin getrieben wurden auch aufgrund der Sanktionierung.

So lange die Sanktionen nicht angepasst werden, bleiben uns und vielen anderen kleinen Hilfsorganisationen aber auch KMUs die Hände für viele Projekte gebunden und dies ist eine Diskrepanz. Die Doppelmoral bezüglich der Sanktionen gehört beendet - Assad ist nicht mehr und die neue syrische Regierung sollte weitestgehend unterstützt und anerkannt werden, nur so wird die Wiederherstellung eines funktionierenden Staates garantiert.

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